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Die neue Treibhausgasbilanz Dresdens (THG-Bilanz)

Ein Gastbeitrag der Parents For Future Dresden

Am 31. Januar 2022 hat die Stadtverwaltung Dresden eine neue Treibhausgasbilanz für Dresden veröffentlicht. Die Bilanz stellt die Emissionen und deren Entwicklung im Zeitraum von 2013 bis 2018 dar. Sie kommt damit mit großer Verspätung dem Klimanotstands-Beschluss („Fortschreibung der Klimaschutzziele der Landeshauptstadt Dresden“) des Dresdner Stadtrats vom 30. Januar 2020 nach, der unter anderem einen jährlichen Bericht über die Entwicklung der THG-Emissionen Dresdens gefordert hatte. Was die Stadt – außer der Beschreibung des groben Trends – nicht gemacht hat, ist die Bilanz detailliert auszuwerten. Deswegen zeigen wir Euch, was man aus der Bilanz und den veröffentlichten Teilbilanzen erkennen kann.

Ein Hinweis vorab: dieser Blogbeitrag ist als Ergänzung zu der von der Stadt veröffentlichten Bilanz und den Erläuterungen zu verstehen. Die Erläuterungen beinhalten auch einen Teil „FAQ“, in dem die Bedingungen und Herausforderungen des Bilanzierens beschrieben werden. Auch wir haben dazu einen Teil ausgearbeitet und hinter die Auswertung gestellt.

Das Thema Bilanzierung ist komplex, aber spannend – und notwendig, wenn wir beurteilen wollen, ob wir mit unserem Klimaschutzhandeln in Dresden auf dem richtigen Weg sind.

Inhalt
Auswertung der neuen THG-Bilanz
Prognose der Entwicklung von Dresdens THG-Emissionen
Fazit & Forderungen

Zusatz
Über die THG-Bilanzierung
Umstellung des Bilanzierungssystems für Dresden
Andere Städte
Fazit & Forderungen

Auswertung der neuen THG-Bilanz

Gut gelungen an der neuen THG-Bilanz ist, dass sie uns drei Teilbilanzen mit entsprechenden Grafiken liefert. Schauen wir uns diese genauer an. (Quelle der Grafiken: Klimaschutzstab der LH Dresden, https://www.dresden.de/de/stadtraum/umwelt/umwelt/klima-und-energie/klimaschutz/treibhausgasbilanz.php)

1. Entwicklung der THG-Emissionen nach Sektoren

Wie schon in unserer Pressemitteilung vom 31.01.22 erläutert, lässt sich zwar ein leichter Abwärtstrend erkennen, dieser reicht aber überhaupt nicht aus, um die aktuellen Klimaziele auf verschiedenen Ebenen einzuhalten. Bezeichnend ist diese Grafik vor allem deswegen, weil Dresden seit 2013 über ein Klimaschutzkonzept mit über 40 konkreten Maßnahmen verfügt! Es wird weder der bisherige und darin zugrunde gelegte Reduktionspfad* eingehalten – geschweige denn der Pfad, den es nach aktuellen Erkenntnissen und Beschlüssen bräuchte. Es wird lediglich eine Minderung von ca. 7,5 Prozent erreicht (dies ist vor allem auch der Witterung geschuldet), bei einem linearen Reduktionspfad und Klimaneutralität bis 2045 wäre mindestens das Doppelte in einem Fünf-Jahres-Zeitraum erforderlich.

*Die bisherige Zielstellung sagte aus, dass ab dem Basisjahr 2005 alle fünf Jahre die THG-Emissionen um zehn Prozent sinken sollten. Bereits im Jahr 2016 betrug die Abweichung ca. 27 Prozent.

2. Darstellung der Energieträger nach Anteil am Endenergiebedarf und den THG-Emissionen

Diese Darstellung gehört zu den interessantesten Aspekten der neuen THG-Bilanz!

  • Erst einmal ist nüchtern zu erkennen: ein Anteil von zwei Prozent Erneuerbaren Energien (links) an den Energieträgern ist nichts – und wir haben einen weiten Weg vor uns! (Auch wenn, wie in der Erläuterungen der Stadt zur neuen THG-Bilanz angegeben ist, hier Angaben zum Eigenverbrauch aus Anlagen erneuerbarer Energien fehlen – doch diese bringen noch keinen wesentlichen Zusatzbeitrag in der Reduktion.)
  • Erdgas: liest man die Grafik von links nach rechts, entsteht der Eindruck, das Erdgas mit 44 Prozent Anteil zwar den größten Teil ausmacht, aber mit nur 34 Prozent der Emissionen ja „klimafreundlich“ wäre. Wir aber empfehlen, die Grafik andersherum zu lesen – und drei wichtige Aspekte zu berücksichtigen:
    • Wir wissen nicht, ob die Berechnung der Vorketten (Emissionen, die durch Förderung, Transport und Speicher entstehen) aktuellen Erkenntnissen entspricht.
    • Die Bereiche, in denen wir Erdgas nutzen (vor allem zur Wärmeerzeugung), sind deutlich schwieriger zu dekarbonisieren als der Strombereich.
    • Wir streben keine Teil-Reduktion der Emissionen mehr an, sondern Klimaneutralität.
  • Liest man die Grafik nun also andersherum, ist festzustellen: Erdgas macht zwar nur 34 Prozent der Emissionen aus, dennoch sind wir mit 44 Prozent unserer stationären Energieversorgung (also ohne Verkehr) von diesem fossilen, klimaschädlichen Energieträger abhängig. Diese einseitige Abhängigkeit, die nun in den aktuellen Preissteigerungen besonders brisant ist, muss übrigens als das Ergebnis früherer strategischer Entscheidungen unseres kommunalen Energieversorgers DREWAG (nun SachsenEnergie) und des Oberbürgermeisters angesehen werden.
  • Fernwärme: Diese schneidet als „Abfallprodukt der Stromerzeugung“ in den Emissionen relativ günstig ab. Da aber nicht mehr eine Teil-Minderung der THG-Emissionen angesagt ist, sondern Klimaneutralität, wird dieser Emissionsbeitrag zu einem schwerwiegenden Restproblem. Dieser Anteil basiert ebenso fast ausschließlich auf Erdgas und schnelle Dekarbonisierungserfolge sind hier nicht absehbar, was den weiteren Fernwärmeausbau in bisheriger Form fragwürdig werden lässt.
  • Strom: Im Strombereich ist brisant, dass zur Berechnung der Emissionen der Bundes-Mix zugrunde gelegt wird. Das heißt, der höhere Anteil Strom aus erneuerbaren Energien in anderen Teilen Deutschlands schönt unsere Dresdner Bilanz, während unser lokaler Mix deutlich schlechter dasteht. Auch die Entwicklung des lokalen Strommixes wird in der Bilanz gar nicht dargestellt. Es lässt sich somit zwar die Menge des Stromverbrauchs aufzeigen, nicht aber unsere Anstrengungen, für grüneren Strom zu sorgen. Hier wäre eine zusätzliche Teilbilanz sinnvoll!
  • Generell zeigt die linke Grafik: Wir sind derzeit mit ca. 88 Prozent unserer stationären Energieversorgung abhängig von fossilen Energieträgern. Hierbei entfallen 68 Prozent auf den schwierig zu dekarbonisierenden Bereich.
  • Dennoch ist diese Anteils-Bilanz mit Vorsicht zu genießen, vor allem wenn ein Vergleich mit einer Folgebilanz stattfinden soll! Sinnvoll wäre die Angabe oder Kombination mit einer weiteren Teilbilanz über die absolute Menge des Verbrauchs fossiler Energieträger. Ein gutes Beispiel dafür ist die aktuelle Veröffentlichung zur Bilanz der Stadt Leipzig. Das Problem der Anteilsbilanz liegt darin, dass wenn sich z. B. der Stromverbrauch erhöht, sinkt der Erdgas-Anteil, ohne das eine Reduktion des Erdgas-Verbrauchs stattgefunden hat. Hier muss einer missverständlichen Darstellung vorgebeugt werden!

3. Entwicklung des Endenergiebedarfs nach den Sektoren

Diese Teilbilanz ist vor allem wichtig, weil sie unsere Energieeinsparmaßnahmen – also die Reduktion des Endenergieverbrauchs – abbildet! Ohne signifikante Energieeinsparungen ist keine Klimaneutralität zu erreichen! Auch unseren Energiehunger zu bremsen und zu reduzieren war Ziel des Klimaschutzkonzepts von 2013 – es ist kein Erfolg zu verzeichnen!

Insgesamt sind die erstellten Teilbilanzen als Instrumente durchaus brauchbar. Jetzt ist es wichtig, die Datenerhebung zu optimieren und die Auswertung zu beschleunigen!

Prognose der Entwicklung von Dresdens THG-Emissionen

Wir haben uns in einem weiteren Schritt gefragt, ob es nicht auch möglich wäre, Prognosen der Entwicklung der THG-Emissionen zu erstellen. Hier unsere Überlegungen, die wir zur Diskussion stellen wollen. Prognosen wären von daher wichtig, weil die Bilanzierung immer nur mit einer großen Zeitverzögerung möglich ist, politische Entscheidungen aber vorausschauend erfolgen müssen.

Vorgehen/Annahmen: Auch wenn bei einer Quelle noch keine aktuellen Daten vorliegen – anhand der Faktoren, die den Wert beeinflussen, lässt sich eine Entwicklung abschätzen.

Versuch einer perspektivischen Trendabschätzung

Wir gehen derzeit von einer Entwicklung der Emissionen aus, die sich wie folgt abbilden lässt:

Hier wurde, wie bisher üblich und in anderen Städten weiterhin praktiziert, die einwohnerspezifische Emissionsentwicklung fortgeschrieben. Quelle/Autor: Fritz Pielenz

Folgende Basistrends beeinflussen die Klimabilanz von Dresden derzeit hauptsächlich:

  1. Die Einwohnerzahl steigt bis 2019 kontinuierlich an und fällt seither leicht ab, was sich auf die einwohnerspezifischen Emissionen auswirkt.
  2. Die Zahl der Pkw erhöht sich weiter. Die Zahl neu zugelassener Diesel-Pkw liegt dabei in der gleichen Größenordnung, wie die von reinen Elektro-Fahrzeugen. Dadurch ist auch im motorisierten Individualverkehr (MIV) mit einer weiteren Zunahme der Emissionen zu rechnen, zumal auch die Elektrofahrzeuge nach dem Verursacherprinzip CO2-Emissionen in den Kraftwerken bewirken.
  3. Dresden befindet sich wie viele große Städte in Deutschland in einem Bauboom. Die neu entstehenden Nutzflächen müssen beheizt werden und verursachen zusätzliche Emissionen im Wärmesektor.
  4. Der Stromverbrauch nimmt kontinuierlich zu. Neben der privaten Elektrizitätsnutzung ist hier v. a. die Chipindustrie zu nennen, die eine außerordentlich hohe Energieintensität aufweist und weiterwächst. Das wirkt sich ebenso auf den Gasverbrauch in Dresden aus, da die Großverbraucher zum Teil eigene Kraftwerke betreiben, die oft sehr effizient durch Abwärmenutzung die Heizung und Kühlung der Reinräume sicherstellen.
  5. Die spezifischen CO2-Emissionen des Stromverbrauchs sanken bis zum Jahr 2020 deutlich. Dies wurde durch den zunehmenden Anteil regenerativer Stromerzeugung im deutschen Strommix bewirkt. Dieser betrug 2020 etwas über 50 Prozent der gesamten Stromproduktion. Seitdem kehrt sich dieser Trend um. Eine witterungsbedingte geringere Solar- und Windstromproduktion im Jahr 2021 verbunden mit hohen Erdgaspreisen haben die Kohlestromproduktion deutlich ansteigen lassen. Dies hat sichtbare Auswirkungen auf die Dresdner THG-Bilanz. In den Jahren 2022/23 ist nicht mit einem großen Ausbau der Erneuerbaren Energien zu rechnen, so dass die beschlossene Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke einen weiteren gut abschätzbaren Anstieg der Emissionen aus der Stromproduktion bewirkt. 60 bis 70 Prozent des Dresdner Strombedarfs werden hauptsächlich aus lokalen Gaskraftwerken bereitgestellt. Der restliche und weiter steigende Elektrizitätsbedarf wird physikalisch durch Stromimporte geliefert. Daraus ergibt sich ein spürbarer Einfluss der Veränderungen im deutschen Strommix auf die Emissionen in Dresden.
  6. Aus den vorliegenden nationalen Verbrauchsdaten bei Kraftstoff und Flugbenzin ist der Corona-bedingte Rückgang im Verkehrsbereich auch für Dresden abschätzbar. Nach bisherigen Einschätzungen werden die Verkehrsemissionen nach der Pandemie wieder das Ausgangsniveau erreichen. Nachholeffekte z. B. bei Urlaubsreisen dürften sogar zu einem Emissions-Plus führen.
  7. Die gegenwärtigen Konflikte um die Erdgasversorgung in Europa lassen den importierten Flüssiggasanteil (LNG) auf 20 bis 30 Prozent steigen. Dieses in Tankern bei minus 162 °C transportierte Erdgas hat in der Prozesskette je nach Länge des Transportweges einen um bis zu 35 Prozent erhöhten CO2-Fussabdruck.
  8. Bei „Fracking-Gas“ aus den USA, dessen Exportkapazitäten nun massiv ausgebaut werden, liegt dieser Zusatzbeitrag zur Klimabilanz sogar bei über 50 Prozent gegenüber konventionellem Erdgas, das über Pipelines nach Europa kommt. Damit wirkt sich die über Jahrzehnte forcierte Erdgasabhängigkeit und der vernachlässigte Ausbau Erneuerbarer Energien noch verheerender auf die Dresdner THG-Bilanz aus.

Fazit & Forderungen

Betrachtet man unsere Auswertung und unseren Prognose-Versuch zusammen, ergibt sich ein klares Bild: es wurde bisher keine signifikante Reduktion der Emissionen erreicht und auch in den nächsten Jahren ist keine Reduktion zu erwarten. Dresden hatte bisher keinen Erfolg im Klimaschutz und wird damit seiner Verantwortung gegenüber den Bürger*innen, kommenden Generationen und der globalen Herausforderung nicht gerecht. Besonders problematisch ist die hohe Abhängigkeit von Erdgas und die mangelnde Trendwende im Verkehrssektor.

Daraus ergeben sich folgende Kernforderungen für Dresden:

  1. Klimaschutz muss Chefsache werden! Der oder die Oberbürgermeister*in muss das Klimaschutzhandeln nicht nur dulden oder unterstützen. Der oder die Oberbürgermeister*in muss die treibende Kraft im Klimaschutz sein.
  2. Der Fokus darf nicht nur auf der Menge der Emissionen eines Sektors liegen, sondern auch darauf, wie einfach oder schwer dieser zu dekarbonisieren ist. Der Fokus muss vor allem auf der Wärmeversorgung liegen!
  3. Die Erneuerbaren Energien müssen ausgebaut werden. Zum Ausbau der Erneuerbaren Energien braucht es vor allem neue Wirtschaftsmodelle und eine Kooperation mit dem Umland!
  4. Ziel- und Interessenskonflikte müssen aufgearbeitet werden!
    • Was wollen wir – einen wachsenden zentralen, nur noch bedingt kommunalen Energieversorger (mit sehr indirekter Büger*innenbeteiligung) oder möglichst viel dezentrale Energieversorgung (mit Energie in Bürgerhand)? Diese Systeme stehen am Ende in Konkurrenz. Wir brauchen die Strategie, die für Klima, Zukunft und Gesellschaft am besten ist. Das etablierte Primat und Vorgehen „DREWAG/SachsenEnergie“ fällt im Aspekt Klima und Zukunft bisher durch!
    • Ohne deutliche Energieeinsparung ist die Klimaneutralität nicht zu schaffen. Energieeinsparung bedeutet aber, dass Umsatz im Bereich Energieverkauf zurückgehen und dafür neuer Umsatz im Bereich Einsparmaßnahmen bzw. Energiedienstleistung entstehen muss.
    • Wir können unseren kommunalen Energieversorger nicht kurzfristig melken wie eine goldene Kuh (Querfinanzierung ÖPNV, Bäder) und gleichzeitig langfristige zukunftsweisende Klimaschutz-Investitionen von ihm erwarten!
  5. Die SachsenEnergie stellt ihr Klimaschutzhandeln unter einen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt. Wir sagen, diese Wirtschaftlichkeit der Sachsen Energie muss a) langfristig ausgerichtet sein und b) gemeinwohlorientiert! Uns allen nutzen keine schwarzen Zahlen unseres kommunalen Energieversorgers, wenn wir dafür massive Schäden an Natur, Umwelt und Klima – sowie auch gesellschaftliche Folgen tragen müssen. Uns nutzen auch keine kurzfristig billigen Energiepreise, wenn diese nur bis zum nächsten Wechsel der Geschäftsführung halten – und uns dann um die Ohren fliegen!

Autoren (Parents For Future Dresden):
Louise Hummel-Schröter
Fritz Pielenz

Kontakt: dresden@parentsforfuture.de (auch für Anfragen zu Quellen)

Zusatz zur THG-Bilanzierung

Über die THG-Bilanzierung

Wenn man sich mit dem Thema kommunale THG-Bilanzierung beschäftigt, merkt man schnell: das Thema ist wirklich komplex. Dennoch ist und bleibt die THG-Bilanzierung ein wichtiges Instrument, um den Erfolg des Klimaschutzhandels überwachen zu können, Problemfelder zu identifizieren und strategisch handeln zu können.

Die größten Herausforderungen der THG-Bilanzierung sind:

  • es müssen Quellen genutzt werden, die zuverlässig aktuelle und belastbare Daten liefern
  • in vielen Bereichen sind keine Quellen verfügbar, und es können nur indirekte, grobe Abschätzungen gemacht werden (viele Daten liegen auch nur deutschlandweit vor und es gibt gar keine regionalen Daten)
  • viele Daten können nur mit einer mehr oder weniger großen Zeitverzögerung abgefragt werden
  • es ist aufwändig
  • „Einfach“ ist es, die Emissionen durch die stationäre Nutzung fossiler Energieträger nach dem Territorial-Prinzip zu bestimmen, also dem, was hier auf dem Stadtgebiet anfällt. Viel schwieriger sieht es mit den Emissionen aus, die außerhalb Dresdens und weltweit durch unseren Konsum oder Vorketten nach dem Verursacher-Prinzip enstehen. Ziel einer klimaneutralen Stadt kann es für uns nicht sein, zwar hier auf dem Stadtgebiet keine Emissionen freizusetzen, aber weiterhin einen riesigen ökologischen Fußabdruck in der Welt zu haben.
    Das Verursacher-Prinzip hingegen ist deswegen teilweise problematisch, weil mit ihm Emissionen doppelt berechnet werden können, einmal beim Konsumenten eines Produkts, einmal beim Hersteller des Produkts. Es darf aber nicht sein, dass die Verantwortung für die Emissionen entweder komplett zum einen oder zum anderen Part geschoben wird, da beide Einfluss haben. Eine (Teil-)Bilanz nach dem Verursacher-Prinzip ist vor allem dann wichtig, wenn eine Verbrauchs-Reduktion oder Verhaltensänderung für Klimaschutz und die Klimaneutralität notwendig ist.

Um diesen Herausforderungen begegnen zu können, ist es entscheidend, sich bei der Entwicklung der Bilanzierungsmethodik folgende Fragen zu stellen:

  • Welchem Zweck dient die Bilanz?
  • Welche Bereiche müssen abgebildet werden? Welche können abgebildet werden?
  • Wer ist eigentlich die Zielgruppe der Bilanz, was muss diese wissen und wie können die Ergebnisse verständlich vermittelt werden?

Für uns als Klimaschutzgruppen relevant ist vor allem:

  • die Entwicklung der Gesamtemissionen (nach Sektoren)
  • der absolute Verbrauch fossiler Brennstoffe (nach Sektoren)
  • die Entwicklung des Endenergie-Bedarfs (nach Sektoren)
  • die Entwicklung des Ausbaus der erneuerbaren Energien (v. a. im Wärmebereich)
  • die Entwicklung im Verkehrssektor (hier gäbe es bestimmt auch die Möglichkeit, mit aufschlussreichen Teil-Bilanzen zu arbeiten, z. B. neben der aktuell verwendeten Straßenbelegung den Motorisierungsgrad anzugeben)
  • auch weitere Sektoren wie Bau, Ernährung u. a. darzustellen
  • die Entwicklung des lokalen Strommixes

Abschließend ist zu sagen, dass für die Gesamtmenge der Emissionen immer nur ein grober Trend angegeben werden kann, kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen brauchen andere Monitoringinstrumente. ABER: in einer Bilanz lassen sich ja, wie unsere Auswertung zeigt, noch viele andere Aspekte abbilden – am Ende sind diese Angaben ebenso wichtig für strategische Entscheidungen, wie die Entwicklung der Gesamtemissionen. Die große Chance – und Verantwortung – einer kommunalen Bilanz ist z. B. auch, dass sie möglichst objektiv und unternehmensübergreifend Daten veröffentlicht.

Das neue Bilanzierungssystem für Dresden

Zwischen der letzten Bilanz von 2018 (Bilanzierung bis 2016) und der neuen Bilanz wurde das Bilanzierungssystem auf das Klimaschutzplaner-System umgestellt. Was sind die größten Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen System?

  • die neue Bilanz orientiert sich stärker am Territorial-Prinzip
  • der Flugverkehr der Dresdner Bevölkerung wird nicht mehr vollständig erfasst (der Flughafen dagegen schon, inkl. Start und Landung)
  • der PKW-Verkehr der Dresdner*innen außerhalb Dresdens wird nicht mehr abgebildet, dafür ist der Transitverkehr voll enthalten
    → „Funfact“: eine Umgehungsstraße wird somit bilanziell zur „Klimaschutzmaßnahme“!
  • die Dresdner Strombilanz wird geschönt durch Rechnung mit dem Bundes-Mix, weil wie bisher so auch in den nächsten Jahren der Anteil erneuerbarer Stromerzeugung in der nationalen Bilanz viel schneller steigt als in Dresden – damit nutzt die Stadt den bundesdeutschen Strommix für die eigene CO2-Reduktion, während die eigene Erdgasverbrennung unserer Kraftwerke in die deutsche Gesamtbilanz exportiert und so für die Leser*innen der kommunalen Bilanz unsichtbar wird

Was sollen die Vorteile des neuen Systems sein?

  • angestrebte Vergleichbarkeit zwischen den Städten
  • Verwendung eines Online-Tools mit aktuellen, allgemeinverfügbaren Daten zur Beschleunigung der Bilanzerstellung

Kritik am neuen System

  • der Flugverkehr fällt weg (der entscheidende transkontinentale Luftverkehr wird übrigens auch für die Bilanzen auf Bundesebene und in den IPCC-Berichten vernachlässigt, bilanziell fliegen wir Deutschen also viel weniger)
  • theoretisch würden dann alle Emissionen erfasst, die in Deutschland verursacht werden, wenn alle Regionen eine Bilanz (für ihr Territorium) erstellen würden – aktuell zeichnet sich aber ab, dass das sehr unwahrscheinlich ist
  • Der Klimaschutzplaner nach dem BISKO-System ist für Dresden gar nicht geeignet, die angestrebte Klimaneutralität nachzuweisen. Mit der vorrangigen Orientierung der Bilanzierung im Stromsektor auf den Bundesmix bleibt die lokale Stromerzeugung unberücksichtigt. Das führt zu der absurden Konsequenz, dass das Dresdner Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk Nossener Brücke auch noch 2050 mit konventionellem Erdgas betrieben werden könnte und trotzdem der Stadt eine 95-prozentige THG-Reduktion und damit eine bilanzielle Klimaneutralität bescheinigt werden könnte. Denn die fossile Stromerzeugung in Dresden spiegelt sich im bundesdeutschen Mix nur mit ca. 0,3 Prozent wider. Hier ist mehr Klarheit und Ehrlichkeit gefordert.

Andere Städte

Fazit & Forderungen

Als die neue THG-Bilanz für Dresden veröffentlicht wurde, die ja mit dem neuen System vergleichbar mit anderen Städten sein soll – und haben wir gleich nach anderen Städten geschaut und dabei vor allem eines festgestellt: Noch immer schafft es kaum eine Stadt, regelmäßig eine Bilanz zu veröffentlichen! Das sollte uns sehr zu denken geben!

Generell klingt das mit der Vergleichbarkeit zwischen den Städten zwar gut – aber eines sei hier festgehalten: Dem Klima (und damit auch uns, die wir ein stabiles Klima für unsere Zukunft brauchen) ist ein besseres oder schlechteres Abschneiden als andere Städte egal! Was zählt, sind die tatsächlichen Emissionen, die für uns in die Luft gepustet werden. Am Ende lassen sich gewissenhaft erstellte Trends auch vergleichen, ohne dass das Bilanzierungssystem identisch sein muss, um sich dann über wirksamen Klimaschutz auszutauschen.

Wir fordern:

  • sinnvolle, zusätzliche Teil- oder Sektorenbilanzen (s. oben)
  • regelmäßige, kritische (und kreative!) Evaluation des Instruments im gemeinsamen Austausch mit anderen Kommunen
  • dass zusätzliche Kapazitäten zur Evaluation und Weiterentwicklung des Systems eingefordert werden, wenn erforderlich

Ziel muss ein Bilanzierungssystem sein, das alle Informationen liefert und darstellt, die Dresden helfen, ganzheitlich klimaneutral (Territorial- und Verursacher-Prinzip) zu werden – in einem verhältnismäßigen Aufwand, der zuverlässige und regelmäßige Veröffentlichungen zulässt.

Generell wäre es eine Überlegung, die THG-Bilanz in ein „Ökologisches Monitoring“ der Stadt einzubetten bzw. zu überführen. Dazu könnten auch viele weitere Bereiche, z. B. die Entwicklung des Müll-Aufkommens, an einem Ort (auf der städtischen Website) mit der THG-Entwicklung zusammengeführt werden. So wäre für alle Interessierten und vor für allem die beteiligten Akteure ein ganzheitliches Bild über den Weg Dresdens zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Stadt möglich – und es würde allen Einzelaspekten mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Das vernetzte und bereichsübergreifende Denken und Handeln würde gefördert.

Wir werden auf jeden Fall dran bleiben!

Autoren (Parents For Future Dresden):
Louise Hummel-Schröter
Fritz Pielenz

Kontakt: dresden@parentsforfuture.de